Zeit zurückdrehen
Der Zinnsoldat stand auf dem Regal,
so zierlich, steif und ernst.
Das Kind sah ihn oft an und überlegte,
welche Abenteuer er wohl in der Schlacht erlebte
und warum er nun so allein war,
hier bei den Büchern am Regal.
Dann, eines Nachmittags,
das Kind sah gerade aus dem Fenster
und träumte vor sich hin,
rief der Soldat mit deutlicher Stimme:
„Spiel mit mir, mein liebes Kind,
ich bin einsam hier auf dem Regal!“
Erstaunt und auch erfreut
willigte das Kind gleich ein.
Gemeinsam liefen sie ins Freie,
der Soldat erzählte Spannendes
und das Kind verriet all seine heimlichen Wünsche.
Sie freuten sich am Sonnenschein
und es war schön gemeinsam.
Es war eine Freundschaft wie aus tiefen Träumen.
„Ich will jetzt oft mit dir spielen!“
rief das Kind am Abend.
„Was denkst du denn,
du bist ja kein Soldat
und darum auch kein wahrer Freund!“
erwiderte der andere
in seinem Ernst,
in seiner Uniform.
Traurig weinte da das Kind
eine stille Träne
und wurde davon wach.
Sein Blick fiel auf den Zinnsoldaten am Regal.
Ein Traum war dieses Abenteuer also nur gewesen.
Nun war der ernste graue Mann dort am Regal
wieder das, was er immer gewesen war:
ein Zinnsoldat, Spielzeug aus alter Zeit.
Die Abenteuer aber, die das Kind mit ihm erlebte,
ließen es doch besonders werden
und füllten die Figur mit Leben.
STAUB VON DEN SCHUHEN
Ich schüttle mir den Staub von den Schuhen und gehe weiter.
Nichts von dieser Stätte soll an mir haften bleiben.
Hier wanderte ich entlang und erkannte die Schönheit dieses Ortes,
dieses Menschen.
Hier fand ich ein offenes Ohr
und dachte auch ein offenes Herz zu finden.
Ich fand einen offenen Geist für meine Anliegen
und dachte auch offene Hände, offene Sinne zu finden.
Ich fand offene Worte und Vertrauen,
ich fand Interesse, Aufmerksamkeit.
Es war ein guter Ort.
Es waren gute Begegnungen.
Es war.
Die Betonung liegt auf dem: Es war.
Wie gebräunte Haut nach dem Sommer,
wie das wohlige Gefühl des Sattseins nach dem Essen,
wie die Erfrischung nach dem Glas Wasser,
wenn man durstig war,
so wird das Schöne hier sehr bald in mir verblassen.
Dankbar blicke ich zurück.
Sehr freundlich warst du für einen,
der kein Freund sein will.
So freundlich bist du also zu jedem hier.
Wie schön für sie alle.
Wir ernüchternd für mich,
eine unter vielen zu sein,
da du mir doch
der eine warst.
Den Staub schüttle ich mir von den Schuhen,
um nichts bei mir zu behalten,
das mich halten könnte,
außer der Erinnerung
an eine gute Zeit.
Bet el
Ich liebte dich als lebendigen Menschen.
Ich liebte dich im Jetzt.
Ich liebte dich im Wissen um die Ewigkeit der Liebe.
Ich liebte dich staunend,
wenn ich deine schöne Seele schaute.
Ich liebe dich als Vergangenheit.
Ich liebe dich als Erinnerung, als gute.
Ich liebe dich als Kleinod,
das du mir geworden bist
und stelle es auf das Regal
zu Nippes und zu alten Büchern.
Bet el bist du mir, Haus Gottes.
Den Himmel sah ich offen durch dich.
Ein Altar der heiligen Erkenntnis bist du geblieben.
Ich wandere weiter,
um anderswo den Gotteskampf zu kämpfen
und Israel zu werden.
Den Schatten segnen
Gekämpft hab ich die ganze Nacht,
die ganze lange dunkle Nacht,
die viele Jahre dauerte.
Und hab gesiegt!
Besiegt hab ich den Schatten in mir.
Doch nur,
weil ich ihn nicht mehr Schatten nenne,
sondern Freund, Vertrauter.
Da ich ihn segnete
und seinen guten Anteil sehe,
den er in meinem Leben hat,
darf ich im Licht sein.
Und er begleitet mich,
zeigt mir die Richtung der Sonnenstrahlen
und lässt mich nun kampflos Siegerin sein,
Israel.
Denn Gott schenkte ihn mir, den Schatten,
damit die Augen ihn und das Licht
willkommen heißen
als Teile meiner Ganzheit,
als Einheit hier
in der Ewigkeit,
im Jetzt.
Alle lieben
Jetzt habe ich dich verstanden,
endlich!
Du kannst und willst mich nicht lieben,
da du ja alle, alle lieben willst und sollst.
Alle Menschen, alle Tiere, alle Pflanzen,
alle Pflichten, alle Ereignisse
und Pläne und Entscheidungen…
Wie kann man Einzelnem begegnen,
wenn man im Vielen handelt?
Der Tropfen im Ozean kann nur dann
das durstige Kind laben,
wenn er als einzelnes Ich
und ohne das Salz der Vielheit
begegnet
und sich spürt
auf den Lippen des Durstigen
und sich spürt
im Verschmelzen mit dem Empfangenden
und sich spürt,
sich ganz einfach spürt.
Doch Trost sei dir:
Als Tropfen im Ozean bist du
auch wertvolles Wasser in dieser Welt.
Nachtblumen
Nachtblumen schauen dich an.
Schau zurück und träume.
Geheimnisvoll ist es,
wenn alles schweigt
und alles dunkel wird.
Du siehst nur diese Blüten,
fahl vom letzten Licht beleuchtet.
Ihre Farben strahlen in die Dunkelheit hinaus
und werden dann von ihr verschluckt.
So ist das jetzt.
Fahles Strahlen, das kein Licht ist
und auch nicht die Finsternis.
Dunkelheit umgibt mich.
Stille ringsumher.
Komm, Schattenwesen in mir,
unterhalte mich.
Die Welt ist trügerisch.
Dein Reich, die Fantasie,
ist mir willkommen.
Komm, sei mein Freund.
Verführe mich
und bring mich weg von hier.
In deinem Schloss will ich dir Geliebte sein
und Freundin und Gefährtin.
Still will ich deinen Liedern lauschen
und will dich unterhalten
mit meinen Märchen.
Du und ich und tausend Elfen,
Kobolde und Zwerge,
Blumenfeen und Geister,
sie alle sind jetzt wieder da.
Gefährten meiner Kindheit,
ihr seid so treu und freundlich.
Dank sei euch!
Liebeserklärung
Lebenserklärung?
Hör zu, mein lieber Nöck,
die Männer dieser Welt
verstehen alle meine Liebe nicht.
Sie wollen alle meine guten Gaben nicht.
Weiß der Kuckuck,
was ich da wieder falsch mache.
Du aber, mein lieber Wassergeist,
weiser Wunderwuzzi,
tief unten in den Wellen,
bewegt und still zugleich,
du hast mich immer gut verstanden.
Darum gestehe ich dir nun meine Liebe,
die geistige, die soziale,
die psychische und sinnliche,
die spirituelle und die Liebe deiner Geisterwelt,
die Fantasie.
Nimm sie hin,
mein Freund und mein Geliebter.
Und bleib mir treu
und bleibe mir gewogen,
denn so wie du
kann eh kein Menschenmann
beglücken.
Ich bin so frei!
Ich bin so frei, so wunderbar frei!
Frei bin ich von der drängenden Hoffnung,
er möge mich lieben.
Frei bin ich vom bangen Erwarten,
wir mögen einander begegnen.
Frei bin ich von der Enttäuschung
über sein Schweigen.
Ich bin so frei, wo wunderbar frei!
Frei bin ich, mich selbst zu entdecken,
immer wieder neu.
Frei bin ich, mir selbst zu begegnen
in dieser unendlichen Tiefe und Weite
meines Seins.
Frei bin ich, all das Schöne zu empfangen,
das die Natur und das Leben
mir täglich schenkt.
Ich bin so frei, so wunderbar frei!
Frei bin ich, ihn, den Einen
als kostbarste Erinnerung zu wahren.
Frei bin ich im Wissen, dass ich Liebe gab
und dass es an ihm lag,
diesen Schatz zu wollen
oder eben nicht.
Frei bin ich in dem Erkennen seiner Ewigkeit,
die geborgen ist in Gott,
so wie auch meine.