KLEINE RISSE
Die Waldfee begann zu altern.
Ihre ewige Jugend wurde verkauft.
Schlammbedeckt buhlte die Nixe
um die Liebe des Delfins.
Er aber blickte im Wahnsinn
auf die eiskalte Sonne,
die giftige Tränen weinte.
Ich setzte mich auf den Wal
und folgte den falschen Tönen
hinein in erlösende Leere.
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Kleine Risse in der Natur
werden übersehen.
Über Gräben springen wir
und jauchzen
dem letzten Vogel entgegen,
der getroffen
zu Boden stürzt.
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„Komm, lehne dich an mich,
schmiege dein Gesicht an meinen Stamm
und trinke die Jahrhundertkraft von mir,
du zitterndes,
du armes Menschenwesen“,
sprach der Baum
und labte mich.
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Ein schwarzes Loch war meine Tür,
da tratest DU ein und es ward Licht.
Ich löschte das Licht,
doch du warst da.
So wurde ich Geheimnis.
Das lockte andere.
Sie suchten stumm.
Sie fanden nicht und gingen weg.
Da war ich Einsamkeit,
war Trauer.
Nun warte ich auf Strahlen
eines ersten Frühlingsmorgens
und höre schon
die Amseln vor dem Fenster.
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Heimat?
Fragte ich
Und dachte nicht an
Vaterland.
Mutterland vielmehr,
bergend,
mit aufmunterndem Lächeln,
mit dem Vertrauen,
das mich in die Welt
entlässt.
Geöffnet findest du mich vor,
und du trittst ein.
Du bewohnst mich,
machst dich häuslich.
Die Ruine meiner Liebe
erfüllst du nun mit Leben.
Du schmückst mich aus
mit deinem Streicheln.
Mit deinem Kosen
tränkst du die verdorrten Gärten.
Laut jauchzt die Quelle
meiner Lust,
wenn du dich labst
an mir.
Süße Früchte in deinem Garten
locken mich.
Ich beuge mich
und hebe Kostbarkeit um Kostbarkeit.
Honigduft in deinem Garten
betäubt mich.
Ich sinke hin
und trinke deine Küsse.
Saftiges Grün in deinem Garten
lädt mich ein.
Ich lege mich bereit
und warte auf den Flügelschlag
des großen Vogels.
Der Adler,
er besitzt den Garten.
Beute bin ich
und Brut in gleicher Weise.
Bebend harre ich deiner Kraft
und berge mich
in deinen Schwingen.
Mond, du hast mir zugelächelt,
gegrüßt hast du mich
mit deinem kühlen Licht,
hast mir dein Wesen offenbart
und mir gesagt,
es sei nur Schein,
was ich nun leide.
Doch ich war schon zu tief gebeugt,
um deinem weißen Licht zu lauschen.
Mit müden Schritten ging ich weiter
auf dunklem, staubigem Weg.
Schon bist du mir ganz fremd und fern.
Schon ist es eine andere als ich,
die sich an Augenblicke
deiner Zärtlichkeit erinnert.
Schon ist jenes Ich,
das dich in Feuer zu sich sehnte,
so fremd für mich,
wie deine Züge,
deine Augen,
wie dein Gruß.
Sie sprachen von dem sanften Gott
und stellten uns vor einen
unbeweglich mächtigen.
Er trug ihr Kleid
aus Stein und aus Metall.
Sie sprachen von Geborgenheit
und warfen uns in klebrig enge Netze,
von Spinnen
mit murmelnder Geschäftigkeit gewoben.
Wohl dem,
der schon beizeiten Freiheit kannte
auf jener Freudenwiese
in trauter Zweisamkeit mit ihm,
dem Schöpfer.
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SCHWARZE GESICHTER
Schwarze Gesichter sah ich,
Kleider umhüllten das Nichts.
Ich sah Hände aus dem Leeren greifen
Und ins Leere tasten.
„Die hohe Feier“
nanntest du dies schaurige Spiel
Und blicktest mich an
aus dem schwarzen Gesicht
ohne Augen.
Auch dein Haar
war schwarzer Schatten,
ebenso die Stimme und die Haut.
„Das ist mein Erbteil“
sagtest du
und sprachst feierlich den Segen,
der mich tötet
nun
vor Sehnsucht
nach Leben.
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Gespenster sind nicht zu erwarten
Hier in der lauten Stadt.
Auch der starke Klushund
wagt sich nicht in dieses Getümmel.
Ich sitze bürgerlich
im Zimmer.
Frösteln kriecht herein.
Es nimmt von mir Besitz.
Ganz fern höre ich
den Klushund heulen.
Willenlos
und doch voll Verlangen
strebt mein Denken
dem mächtigen Rüden entgegen.
Es strebt in die kalte Nacht,
dem Heulen zu,
dem Bellen und Scharren.
An seinen Rücken geschmiegt
stiebe ich durch die Luft.
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Hunde streunen ums Haus.
Sie lauern vor den Fenstern.
Sie lauern draußen
im Kalten, im Schnee.
Es heulen die Hunde
in der Vollmondnacht.
Zitternd vor Ungeduld
laufen sie rings um Haus.
Gespenstisch hell
ist die Vollmondnacht,
kalt und dunkel ist es im Haus.
Ich öffne die Tür
und lasse die Hunde herein.
…
Ich wollte schlafen,
doch meine Augen waren zu müde.
Ich wollte essen,
doch der Hunger war zu groß.
Ich wollte trinken,
der Durst jedoch hielt mich ab.
Da wollte ich lieben
und war schon zu klug.
So wollte ich sterben
und auch das
gelingt mir nur
lebend.
barfußweiche schritte setze ich
auf nackte erde
auf taubenetztes gras
ich schreite über gräber
ich erklimme nebelberge
und lande auf dem wolkengipfel
siegreich
erschöpft
allein
die symphonie der stille
ist lohn für meine mühen
ich schließe meine augen
um den blick zu weiten
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DIE STILLE
Ich liebe meine Stille,
ich liebe diesen ausgefüllten Raum,
der Stille heißt,
der mich beschenkt
und mich erhebt.
Der Regen singt mir sein Liebeslied,
sein Lied der Klagen und der Sehnsucht.
Mein Buhle ist der Wind.
Er kost mich,
tanzt vor mir und wirbt um mich.
Meine Freundin und Geliebte
Ist die Nebelfrau.
Sie neigt sich voll Anmut
und weiß mich zu umgarnen,
zu gewinnen.
Sie alle bevölkern meine Stille
und stören doch nicht ihre Heiligkeit.
„Ewig, ewig bin ich!“ ruft sie
und breitet ihre Arme
mir entgegen.
……………………….
Ich hab dich lieb gewonnen,
so ganz langsam,
fast unmerklich.
Du hast mich ganz ergriffen,
ohne dich zu nähern wissentlich.
So sind wir Schritt für Schritt
Einander nah’ gekommen,
wie im Finstern,
ohne Zagen.
Und als wir aufeinander trafen,
da war bereits ein jeder
Teil des anderen.
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Die erste Begegnung:
Vorausahnend erspähten dich
meine Gedanken.
Nachspürend betasteten dich
meine Gefühle.
Nun,
ich muss erkennen,
dass wir einander
längst begegnet waren
in jenen Ewigkeiten.
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