Liebe


Mit zwei Freunden wandere ich.

Beide sind mir lieb und teuer.

Angenehme Regeln halte ich ein

für den einen, der an Ufern mit mir geht

und auch im Wald.

Er rechnet mir die Schritte aus,

Entfernungen und Ziele.

Steigungen, Wetterveränderungen

erklärt er geduldig.


Der andere geht viele Pfade gern allein,

doch manchmal mit mir den Berg hinauf.

Er hört mir zu und gibt sich preis

durch seine Antwort.

Gemeinsam staunen wir

über Sternblüten und das satte Grün,

über Wind und Wolken.

Wir reden und wir schweigen

im Gleichklang.


Lieb und teuer ist mir mein versierter Wanderer.

Lieb und teuer ist mir mein Seelenfreund.




Ohnmacht


Ohnmächtig bin ich,

so viel Leid macht mich starr und klein.

Alle meine Bemühungen verlaufen im Sand.

Was kann ich tun gegen Hass und Gewalt?

Was kann ich tun gegen Elend und Not?


Ich sehe die Tränen des hungernden Kindes.

Ich spüre den Schmerz der gequälten Frau.

Das Winseln des geschlagenen Hundes zerreißt mir das Herz.

Starr und klein reiße ich die Augen auf

und kneife ich die Augen zu, um nichts zu sehen,

um kein Weinen zu bemerken.

Ohnmächtig fühle ich mich.


Ich kann die Welt nicht retten mit meinen Händen.

Ich kann die Not nicht lindern mit meinem Geld.

Ich kann niemanden beschützen mit meinem Mitleid.


Da werde ich emporgehoben, inmitten meines Grams.

Kinderaugen schauen mich an und ich spüre:

alles ist gut.

Ich breite die Flügel, hebe mich hinweg.

Der Sturm hatte mein Gefieder zerzaust.


Die Kinderhände Gottes bergen mich behutsam,

mich zerzaustes Vögelchen.

Die Augen des Freundes lächeln mir wissend zu.

Sie kennen den Schmerz.

Und der Wind säuselt mir Weisheit ins Herz.

Ohnmächtig bin ich ohne den Einen, der ist.

Ohnmächtig bin ich ohne die drei.


Frei und erlöst bin ich

in den Armen des Einen, der ist.



Sonne


Die Liebe ist wie Luft,

sie dringt überall durch, kennt keine Grenzen.

Sie gibt Leben,

sie ist es, woraus wir leben.


Die Liebe ist wie die Sonne,

sie scheint für jeden.

Wer sie spürt, weiß,

dass auch sein Nachbar davon berührt wird.

Es ist nicht Liebe, wenn du sagst:

sie gilt nur für uns zwei“.


Mich hat die Sonne deines Herzens berührt.

Mit jedem Atemzug atme ich Liebe.

In jedem Menschen sehe ich dein Antlitz.


Ich darf verweilen und ruhen

auf der Wiese deiner Augen.

Ich darf mich laben am Wasser deiner Worte.

Ich darf dich atmen, Lieber,

Abbild der Sonne.



Die Gabe


Eine liebe Gabe bringe ich dir,

Sie wurde mir selbst geschenkt

und erfreut mein Herz.

Nun soll sie dich erfreuen,

soll uns beiden Segen sein.


Doch du lehnst sie ab,

hältst sie für billig, für unschicklich gar.

So ein Pech für dich;

ein Durstiger, der Apfelsaft verschmäht,

nur weil er ihn nicht kennt.


Mir allein gehört die Gabe weiterhin.

Schade. Teilen wäre schön gewesen.

Heimlich lege ich sie

bei deinem verborgenen Fenster ab.

Sie wird dich finden.

Du wirst nicht wissen, wie dir geschieht,

wenn sie ganz still und unbemerkt dein Herz erfreut.


Nimm sie hin, die Gabe Liebe,

auch wenn du nicht weißt,

wer sie auf dein Fensterbrett gelegt hat.




Alles ist gut


Mein Sein nahm mein hiesiges Ich an der Hand

und führte es in deine tiefe Höhle, wo du wohnst.

Es führte mein Ich auf den höchsten Gipfel,

wo du verweilst, allein,

und in die Weite blickst voll Glück.


Dein Sein in der Höhle lächelte und nickte mir zu.

Dein Sein auf dem Berg breitete die Arme aus und rief:

Schau, wie schön die Welt ist!“


Ich schaute mich um, tief bewegt,

und schaute dich an, lange, innig.

Dann sagte ich:

Ja, alles ist sehr gut!“




Weizenkorn


Die schönste, größte Perle habe ich gefunden,

den Schatz im Acker.

Das verlorene Schaf trage ich froh im Arm.

Gefunden habe ich, was mich beglückt.


Klein wie ein Weizenkorn ist mein Schatz,

doch da er in mir lebt,

nährt er einst alle, die von dem Mahl essen,

das bereitet wird in meinem Herzen,

von dem, der uns Nahrung ist,

der das Leben ist

der Liebe ist.





In deinen Armen


Deine Wangen berühren,

meinen Mund zu deinen Lippen führen,

dich anschauen,

vertraut meinen Kopf auf deine Schulter legen,

deinen Hals küssen

und mich an dich schmiegen,

deine Arme spüren,

die mich umfangen,

deine Hände, wie sie mich streicheln.


Das ist Himmel für mich.

Das ist der lächelnde Gott,

der uns zu Gefährten macht.

Wie Liebe zur Sinnlichkeit führt,

wie das Leben hier Göttliches bietet,

das erfahre ich in deinen Armen,

Lieber.



Freude


Erotik der Natur ist der offene Kelch einer Blüte.

Sinnesfreuden der Natur ist der erfrischende Trank von der Quelle.

Zärtlichkeit der Natur ist das Säuseln der Blätter im Baum.

Ein Vorspiel der Liebe ist der Sonnenaufgang.

Ruhige Wonne nach dem Höhepunkt ist der Regenbogen.

Ein Liebeslied ist das Gezwitscher der Vögel.


Alles spricht mir von Liebe,

alles erzählt von ihren irdischen Freuden

und in allem sehe ich dein Antlitz,

Freude meines Lebens.




 

Was du mir bist

 

Diamanten funkeln, Gold schimmert mir entgegen,

doch du strahlst schöner, bedeutest alle Wonnen.

Du bist mein Glück.

 

Der Tod hat mich besucht, die Trauer.

Ätzend schmerzt die Schuld.

Sie macht mich starr.

Doch du bist mir Balsam, Licht in der Dunkelheit.

Du bist mein Trost.

 

Viele Wege stehen mir offen.

Glänzen könnte ich mit wundersamen Taten,

mit guten Taten.

Das alles jedoch lenkt mich ab von dir.

 

Du bist mein Ziel.

Der Weg zu dir ist mir der einzig wichtige.

Mein Glanz ist nur ein Widerschein der Liebe zu dir.

Meine Trauer schwindet wie die Nacht,

denn du bist mein Morgenstern.

Mein größter Schatz bist du.

 

Das Tor bist du, durch das ich Ewigkeiten schaue.

Das Licht aus deinem Herzen zeigt mir den Ewigen.

Dein Menschsein lässt mich erst wahrhaft Mensch sein.


 

 

Abgewöhnen

 

Man sagt, ich sollte mir das endlich abgewöhnen,

diese Liebe, so kindlich, so aussichtslos.

Jemanden zu lieben, der fern bleibt, unnahbar und elfengleich,

sei nicht vernünftig.

Unvernunft soll ich mir abgewöhnen,

im Irdischen soll ich endlich leben, lieben.

 

Ich schaue auf meine Wirklichkeit, auf meine reale Welt.

Sie besteht aus Wasser, Erde, Feuer, Luft.

Das Wasser glitzert und belebt.

Es plätschert, reinigt und erzählt von dem Fernen, Lieben.

 

Die Erde lächelt mütterlich.

Sie schenkt mir Blumen, Brot und Früchte;

Trauben aus des Liebsten Garten,

Wein der Freude.

 

Das Feuer zeigt mir mein eigenes Lodern im Herzen,

zeigt mir die Sehnsucht nach dem Einen.

Es wärmt mich in meiner Liebe.

 

Die Luft ist würzig, frisch und säuselt sanft.

Ein Lächeln säuselt sie, den tiefen Blick des Lieben.

Ich atme diesen Blick,

ich atme dieses Lächeln.

Ich sage leise:

„Abgewöhnen werde ich mir, was andere Realität nennen.

Bewahren werde ich, was Liebe ist in meinem Sein!“

 

 

 

Versuch des Abschieds

 

Einen Abschied wollte ich schreiben,

den Schlussstrich ziehen, 

denn müde bin ich des Wartens, Hoffens.

 

Die Abschiedsworte hintergingen mich,

sie bahnten mir den Weg zum Lieben,

anstatt mich von ihm wegzuführen.

 

Herzensworte wissen mehr als Kopfgedanken.

Herzenssehnsucht ist wie die Füße auf meinem Weg,

Kopfgedanken sind wie Schuhe.

 

Füße sind ein Teil von mir,

Schuhe austauschbar.

 


 

Kein Prinz für mich

 

Dem Elfenprinzen habe ich die goldene Rose geschenkt.

Er stellte sie geschäftig in die Vase

zu den anderen Kostbarkeiten der Schatzkammer.

Er vergaß die Rose und vergaß mich.

 

Wach geküsst habe ich den Dornröschenprinz mit viel Zärtlichkeit.

Er öffnete die Augen und stürzte sich in Arbeit, die da auf ihn wartete.

 

Den Frosch wollte ich küssen,

einen Prinzen wollte ich gewinnen.

Er hüpfte aufgeregt davon und quakte vorwurfsvoll.

Von ferne beobachtete er mich,

doch konnte er mir nicht trauen,

sich mir nicht anvertrauen.

 

Am Ufer des Teiches ließ ich mich nieder,

genoss die Sonne, die hübschen Libellen,

die Enten, die anderen Frösche.

Kein Prinz ist mir erschienen,

kein Wassermann ist aufgetaucht.

 

Der Teich wurde mein Freund, die Weide meine Freundin,

der Mond mein nächtlicher Besucher.

Der Nebel schenkte mir Zärtlichkeit,

kühl, feucht, vertraut.

 

 

Ich bleibe und warte

 

Durch den Nebel kommt Licht auf mich zu.

Schwach wirkt es und nähert sich vorsichtig.

Wird es mein Licht sein im Leben?

Wird es vorübergehen?

Wird es erlöschen?

 

Ich bleibe und warte.

 

Mit jedem Tag etwas mehr Weisheit,

noch mehr Dankbarkeit –

welch schönes Altern!

 

 

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A-8342 Gnas

Wörth 22

 

 Fotos:

(als Umrahmung der Texte)

Mit freundlicher

Genehmigung

Dechant Mag. Georg Fröschl

Pfarre Breitensee,

 1140 Wien 

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